Wolf

Der Wolf war über 100 Jahre abwesend in der Schweiz. Er wurde vertrieben, verfolgt und schliesslich ausgerottet. Doch der Wolf ist zurück. Seit 25 Jahren leben wieder Wölfe in der Schweiz.

Der Wolf ist zurück
Zuerst waren es nur einzelne Tiere, die aus Italien eingewandert sind. 2011 bildete sich dann das erste Paar und 2012 kamen die ersten Jungwölfe auf die Welt – die ersten seit 150 Jahren! Das ist schön und zeigt auch, dass es in der Schweiz genügend Platz hat auch für grosse Beutegreifer.

Der Wolf und die Schafe
Doch nicht alle haben Freude am Wolf. Besonders die Bergbevölkerung, die Schafbauern und die Alpbetreiber sehen sich nun plötzlich neuen Herausforderungen gegenübergestellt. Der Schutz einer Schafherde in den Alpen wird immer wichtiger. Die Tiere müssen mit Zäunen oder Herdenschutzhunden vor allfälligen Angriffen der Wölfe geschützt werden. Das ist alles nicht so einfach, das heisst, es ist sehr aufwändig und teuer. Hier liegt aber auch der Schlüssel für eine Schweiz, in der Menschen Wölfe tolerieren und akzeptieren können. Über die Beziehung zwischen Wölfen und uns Menschen werdet ihr im Verlauf des Wolfsjahres noch mehr erfahren.

Was bedeutet Beutegreifer? Beutegreifer ist ein neuer Begriff für Raubtiere und bezeichnet Tiere, die Fleisch fressen.

Der Wolf ist wieder da!
Nach dem Aufkommen der Schusswaffen wurden bis zum Beginn des 19. Jahrhunderts in der ganzen Schweiz Rehe, Hirsche, Gämsen und Wildschweine intensiv bejagt und fast oder vollständig ausgerottet. Damit verschwand die natürliche Nahrungsgrundlage der Wölfe. Diese waren gezwungen, andere Nahrungsquellen zu suchen, und begannen Nutztiere wie Schafe zu jagen. In der Folge wurde der Wolf vom Menschen gnadenlos verfolgt und ausgerottet. Offiziell wurde der letzte einheimische Wolf 1871 im Tessin erlegt.

Der Weg in die Schweiz
Wölfe sind nie ganz aus Italien verschwunden. Von dort sind sie in einem natürlichen Ausbreitungsprozess zuerst nach Frankreich und dann weiter bis in die Schweiz gewandert. Aktuell leben 80 bis 100 Wölfe in der Schweiz und es haben sich etwa 10 Rudel gebildet. Die meisten Wölfe sind im Alpenraum unterwegs, in Graubünden, im Tessin und im Wallis. Jüngst hat sich auch ein Rudel im westlichen Jura gebildet, das erste seit 150 Jahren!

Die Ausbreitung
Wie die Situation in Nachbarstaaten zeigt, kann die Populationsentwicklung des Wolfes sehr dynamisch verlaufen. In Deutschland ist der Wolf seit 2000 zurück. Bis heute haben sich bereits über 160 Rudel gebildet! Anscheinend findet der Wolf vorzügliche Bedingungen vor und nutzt die zur Verfügung stehenden Ressourcen.

Heute sind Hirsch & Co. wieder zurück –
und mit ihnen seit 1995 auch der Wolf.

Ein Katzensprung
Befunde belegen, dass der Wolf heute in der Schweiz jederzeit und überall auftauchen kann. Natürlich
handelt es sich dabei in der Regel um durchziehende Jungwölfe, die mittels Fotofallen erfasst werden oder auf ihrer Reise vielleicht sogar ein Schaf reissen – und ihre genetische Spur hinterlassen. Abwandernde Jungwölfe sind in der Lage, täglich mehr als 150 Kilometer zurückzulegen. Die Schweiz zu durchqueren ist für einen Wolf also ein Katzensprung.

Hat der Wolf Rechte?
Damit ein Rudel überleben kann, braucht es grosse, wenig genutzte Gebiete mit hohem Wildbestand.
Ein Rudel besetzt ein Territorium von rund 250 Quadratkilometern. Das entspricht in etwa der Fläche des Kantons Zug. So gesehen bietet die Schweiz durchaus noch Platz für weitere sesshafte Wölfe. Grossen Einfluss auf die Entwicklung des Wolfbestandes in der Schweiz hat neben den natürlichen Lebensbedingungen aber auch seine Akzeptanz in der Bevölkerung. In den 120 Jahren ohne Wolf haben wir den Umgang mit diesen Wildtieren verlernt. Wir müssen uns nun erst wieder an sie gewöhnen. Gleichzeitig bietet sich hier aber auch die Chance, dank dem heutigen Wissen von Beginn weg eine gesunde Beziehung zu diesem Wildtier aufzubauen. Der Wolf gehört weder vergöttert noch verteufelt. Er ist Teil unserer einheimischen Fauna. Er hat ein Lebensrecht in den für ihn geeigneten Lebensräumen.

Schafe in Gefahr
Der Wolf kann, dies ist unbestritten, in der landwirtschaftlichen Nutztierhaltung (Schafe, Ziegen) Probleme verursachen. Es ist durchaus wahrscheinlich, dass Risikozonen mit Wölfen zukünftig auch auf Bereiche des Flachlandes ausgeweitet werden. Entsprechend wichtig werden Massnahmen für den Herdenschutz zur Vermeidung von Übergriffen sein. Zum Beispiel die Montage von guten Zäunen oder die nächtliche Unterbringung der Nutztiere im Stall.

Herdenschutz
Der Wolf ist hier und wird auch hier bleiben. Und wir müssen unsere Nutztiere vor ihm schützen, denn
damit schützen wir auch den Wolf. Je weniger Konflikte es gibt, umso rascher werden wir den Wolf als Teil unserer Natur akzeptieren. Beim Luchs gab es anfänglich ja auch viel Widerstand. Heute aber finden es die allermeisten Menschen toll, dass er wieder bei uns lebt.

Der Wolf und die Jagd
Der Wolf ist ein Fleischfresser. Er hat ein Raubtiergebiss und steht wie wir Menschen an der Spitze der Nahrungspyramide und damit in direkter Konkurrenz zu uns, was die Nutzung von Wildtierbeständen wie etwa Rehe und Hirsche betrifft. Das gefällt vielen Jägern nicht. Sie befürchten, dass sie weniger Beute erlegen können, wenn der Wolf in ihrem Gebiet ist. Doch ist dem wirklich so?

Die Gesundheitspolizei
Natürlich hat der Wolf Einfluss auf seine Beutetiere. Man weiss, dass sich Hirsche vorsichtiger verhalten, wenn Wölfe in der Nähe sind. Der Wolf ist aber auch ein Gesundheitspolizist. Im Rudel ist er ein Hetzjäger, der seine Beutetiere über längere Distanzen vor sich hintreiben kann und so die schwachen Tiere erkennt und überwältigt. Verletzte, kranke oder auch angeschossene Tiere werden ebenfalls erlegt. So überleben vor allem die gesunden und fitten Tiere, was mittelfristig zu einem vitalen Bestand führt.

Hirsche, Gämsen, Rehe
Die Bestände der Beutetiere wie Hirsche sind übrigens kaum abhängig von der Zahl der Fleischfresser, also der Wölfe. Es ist genau umgekehrt. Wenn es viele Hirsche, Gämsen und Rehe hat, dann kann es auch mehr Wölfe geben. Hat es weniger von den Ersteren, dann gibt es auch weniger Wölfe.

Schafe und Ziegen
Wie ihr seht, ist der Wolf für die Jäger eigentlich kein grosses Problem. Anders sieht es aus für Schafund Ziegenhalter. Schützen diese ihre Tiere nicht genügend, ist die Chance gross, dass der Wolf die Gelegenheit nutzt, in die Herde eindringt und im schlimmsten Fall gleich mehrere Tiere tötet.

Wie sicher sind
Schafe und Ziegen
vor dem Wolf?

Schutz der Nutztiere
Als intelligente Tiere lernen Wölfe schnell, wo sie leichte Beute finden. Und haben sie einmal einen unwirksamen Zaun überwunden, gelingt ihnen das vielleicht auch bei einem besseren Zaunsystem. Die Gefahr ist dann gross, dass solche Wölfe immer wieder Schafe und Ziegen (Nutztiere) angreifen und töten. Für solche Fälle gibt es die Möglichkeit, dass einzelne Wölfe, die immer wieder Nutztiere reissen, geschossen werden können. Wenn also beispielsweise ein Wolf im Monat 15 Schafe reisst oder in vier Monaten 25, dann kann er geschossen werden. Eine solche Vorgehensweise ist nachvollziehbar. Allerdings ist für den Schweizer Tierschutz STS wichtig, dass abgeklärt wird, wieso Wölfe zu Problemwölfen werden.
Oftmals nutzen die Wölfe die sich bietenden Gelegenheiten, wenn der Mensch seine Schaf- und Ziegenherden zu wenig gut schützt (Herdenschutz).

Abschuss des Wolfes
Eine solche Abschussverfügung ist 60 Tage gültig und verfällt danach, falls der Wolf nicht erlegt wird. So gab es etwa den Wolf M75, ein männliches Tier also, der sehr dreist war. Er hatte gelernt, über Zäune zu springen und in Ställe einzudringen. In den Kantonen Tessin und Graubünden wurde er zum Abschuss freigegeben. Das war ihm offensichtlich zu viel und er wanderte ab. Seine Spuren hinterliess er zuletzt im Norden des Kantons Zürich. Danach tauchte er vollständig unter. Vielleicht ist er gestorben. Vielleicht hat er aber auch einfach sein Verhalten geändert und ignoriert seither Schafe und Ziegen – und hinterlässt so auch keine Spuren mehr.

Integration des Wolfes
Wie ihr seht, sind Wölfe immer wieder für Überraschungen gut. Wölfe gehören in unsere Natur, sie sind Teil unserer Fauna. Unsere Aufgabe ist es, die Nutztiere wie Schafe und Ziegen vor dem Wolf zu schützen. Gelingt das, können wir der Entwicklung der Wolfsbestände in der Schweiz eigentlich recht gelassen entgegensehen.

Wer hat Angst vor dem bösen Wolf?
Rotkäppchen war alleine unterwegs, um die kranke Grossmutter zu besuchen. Ahnungslos betrat es das Schlafzimmer und traf dort auf den Wolf, welcher verkleidet als Grossmutter im Bett lag. Es war erstaunt, dass die Grossmutter grosse Ohren, grosse Augen, grosse Hände und ein grosses Maul hatte und rief:

«Ei, Grossmutter, was hast du für grosse Ohren!»
«Dass ich dich besser hören kann», antwortet der Wolf.
«Ei, Grossmutter, was hast du für grosse Augen!»
«Dass ich dich besser sehen kann.»
«Ei, Grossmutter, was hast du für grosse Hände!»
«Dass ich dich besser packen kann.»
«Aber Grossmutter, was hast du für ein entsetzlich grosses Maul!»
«Dass ich dich besser fressen kann.»

Kaum hatte der Wolf das gesagt, so tat er einen Satz aus dem Bett und verschlang das arme Rotkäppchen. Das Rotkäppchen wurde zum Glück gerettet und die Grossmutter auch. Der böse Wolf allerdings musste sterben.

Der Wolf im Märchen
In diesem Märchen steht der Wolf für das Böse, Falsche und Gefährliche, das uns umgibt und wir nicht kontrollieren können. Eine Vorstellung, an die leider nach wie vor viele Menschen glauben. Schon rein der Gedanke, dass Wölfe bei uns leben, macht ihnen Angst.

Der Wolf in der Wirklichkeit
Noch nie seit 150 Jahren hat es in der Schweiz so viele Wölfe wie heute gegeben. Es leben nämlich über 100 Wölfe in der Schweiz. Ist dies Anlass zur Sorge? Müssen sich Menschen, die in Gebieten mit Wolfspräsenz leben oder sich solchen aufhalten, fürchten? Eine aktuelle Studie aus Norwegen kann beruhigen: Weder in der Schweiz noch in Deutschland oder Österreich kam es in den letzten Jahren zu Angriffen von Wölfen auf Menschen.

Der Wolf als Beutegreifer
Natürlich ist der Wolf ein Beutegreifer und natürlich kann er dem Menschen unter bestimmten Umständen auch gefährlich werden. Weltweit wurden denn auch 489 Angriffe von Wölfen auf Menschen gezählt, 26 davon verliefen tödlich. In vier von fünf Fällen aber waren die Wölfe mit Tollwut befallen. Durch diese Krankheit wird ihr Verhalten stark gestört und die Tiere verlieren ihre Scheu. Knapp jedes zehnte Mal wurden die Wölfe durch den Menschen provoziert oder in die Enge getrieben. Sie wehrten sich dann mit aggressivem Verhalten. Bei anderen Angriffen auf Menschen handelte es sich um angefütterte Wölfe, die ihre natürliche Scheu verloren hatten und den Menschen mit Nahrung in Verbindung brachten.

Der Wolf ist scheu
und greift nicht
grundlos Menschen an.

Zahlen weltweit
In Europa, den USA und Kanada kam es von 2002 bis 2020 zu zwölf Angriffen, wobei zwei tödlich verliefen (je einer in den USA und Kanada). Es lässt sich also Folgendes festhalten: Im Wissen darum, dass der Wolf dem Menschen gefährlich werden kann, muss man diese Gefahr aber in Relation setzen. In tollwutfreien Gebieten mit hohen Wildtierbeständen, wie dies in den USA, in Kanada und in Mitteleuropa (also auch in der Schweiz) der Fall ist, kam es in den letzten 18 Jahren nur zu einem Dutzend Angriffen auf Menschen. Dies bei einem geschätzten Bestand von 60’000 Wölfen in Nordamerika und 15’000 Tieren in Europa, die sich den Lebensraum mit Hunderten Millionen Menschen teilen. Das Risiko einer Wolfsattacke kann also nicht ausgeschlossen werden, gleichzeitig ist eine solche aber extrem unwahrscheinlich.

Begegnung mit dem Wolf
Es bleibt ein sehr seltenes Ereignis, überhaupt einmal einem Wolf in der Schweiz zu begegnen. Sollte dies doch einmal der Fall sein, gibt es zwei Möglichkeiten: Mit lautem Rufen und auffälligen Gebärden kann er vertrieben werden, oder man verhält sich ruhig und geniesst die Gelegenheit, dieses schöne Tier in der Natur beobachten zu können. Hast du schon mal einen Wolf draussen in der Natur gesehen?

 

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